B16: Im Namen der Wahrheit kam es zu Intoleranz und Grausamkeit. Insofern fürchet man sich davor, wenn jemand sagt: Dies ist die Wahrheit, oder gar: Ich habe die Wahrheit. Wir haben sie nie, bestenfalls hat sie uns. Dass man vorsichtig und behutsam damit sein muss, Wahrheit zu beanspruchen, wird niemand bestreiten. Sie aber einfach als unerreichbar abzutun, wirkt regelrecht zerstörerisch.Benedikt XVI., Licht der Welt. Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit. Ein Gespraech mit Peter Seewald, uitg. Herder, Freiburg, isbn 978-451-32537-3, pp. 69-70 en 72.
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Deshalb müssen wir den Wagemut haben, zu sagen: Ja der Mensch muss nach der Wahrheit ausschauen; er ist wahrheitsfähig. Dass die Wahrheit Kriterien der Verifizierbarkeit und der Falsifizierbarkeit braucht, ist selbstverständlich. Sie muss auch immer mit Toleranz einhergehen. Die Wahrheit zeigt uns dann aber auch jene kontanten Werte auf, die die Menschheit groß gemacht haben. Deshalb muss die Demut, Wahrheit anerkennen und maßstäblich werden zu lassen, wieder neu gelernt und eingeübt werden. Dass die Wahrheit nicht durch Gewalt zur Herrschaft gebracht wird, sondern durch ihre eigene Macht ist der zentrale Inhalt des Johannes-Evangeliums.
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Es breitet sich eine neue Intoleranz aus, das ist ganz offenkundig. Es gibt eingespielte Massstäbe des Denkens, die allen auferlegt werden sollen. Diese werden dann in der sogenannten negativen Toleranz verkündet. Also etwa, wenn man sagt, der negativen Toleranz wegen darf es kein Kreuz in öffentlichen Gebäuden geben. Im Grunde erleben wir damit die Aufhebung der Toleranz, denn das heisst ja, dass die Religion, dass der christliche Glaube sich nicht mehr sichtbar ausdrücken darf.
Wenn man beispielsweise im Namen der Nichtdiskriminierung die katholische Kirche zwingen will, ihre Position zur Homosexualität oder zur Frauenordination zu ändern, dann heißt das, dass sie nicht mehr ihre eigene Identität leben darf, und dass man stattdessen eine abstrakte Negativreligion zu einem tyrannischen Maßstab macht, dem jeder folgen muss. Das ist dann anscheinend die Freiheit – allein schon deshalb, weil es die Befreiung vom Bisherigen ist.
In Wirklichkeit jedoch führt diese Entwicklung mehr und mehr zu einem intoleranten Anspruch einer neuen Religion, die vorgibt, allgemein gültig zu sein, weil sie vernünftig ist, ja, weil sie die Vernunft an sich ist, die alles weiß und deshalb auch den Raum vorgibt, der nun für alle maßgeblich werden soll.
Dass im Namen der Toleranz die Toleranz abgeschafft wird, ist eine wirkliche Bedrohung, vor der wir stehen. Die Gefahr ist, dass die Vernunft – die sogenannte westliche Vernunft – behauptet, sie habe nun wirklich das Richtige erkannt, und damit einen Totalitätsanspruch erhebt, der freiheitsfeindlich ist. Ich glaube, diese Gefahr müssen wir sehr nachdrücklich darstellen. Niemand wird gezwungen, Christ zu sein. Aber niemand darf gezwungen werden, die „neue Religion“ als die allein bestimmende und die ganze Menschheit verpflichtende leben zu müssen.
zondag 12 december 2010
Aus dem Buch (3): waarheid en geweld
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